18.07.2024:
Die ganze Familie stand pünktlich um 4 Uhr auf, da Mama es sich nicht nehmen ließ, ihre beiden Reisenden vor dem Eintauchen in die kanadische Wildnis
am Flughafen persönlich zu verabschieden.
Maki und ich saßen pünktlich um 7:45 Uhr im Flieger nach Frankfurt.
Nach einer kurzen Aufenthalt ging es dann nach Vancouver und von dort aus mit einer kleinen Propellermaschine nach Whitehorse.
Mit dem Taxi fuhren wir dann zu unserer Unterkunft in einem herrlich ruhigen Viertel, welches einige Kilometer von der City entfernt liegt, obwohl die ganze Stadt nur 30.000 Einwohner hat.
Mit unserer Gastgeberin hatten wir es herrlich getroffen; nachdem sie realisiert hatte, dass wir seit 26 Stunden unterwegs waren, bereitete sie uns leckerste Sandwiches zu und spendierte deutschen Bier.
Nach diesem herrlichen Abendessen fielen Maki und ich wie tot ins Bett.
19.07.2024:
Nach einem guten gemütlichen Frühstück machten wir uns mit dem Bus auf in die Stadt.
Nach einem netten Sightseeing und ein paar Donuts besorgten wir für Maki eine Angellizenz und anschließend kauften wir in einem unglaublich riesigen Supermarkt unsere Mundvorräte für 3 Wochen
ein.
Da die Menge an Lebensmitteln nicht im Bus zu transportieren waren, nahmen wir wieder ein Taxi und wurden von unserer japanischen Gastgeberin doch glatt zum zweiten Mal zum vom ihr spendierten
Abendessen gebeten. Es gab japanischen Schnitzel in brauner Soße sowie ein ebenfalls himmlisches japanisches Curry.
Danach wurden die Lebensmittel sortiert und in wasser- und bärensichere Tonnen umgeladen.
Wir gingen früh schlafen.
20.07.2024:
Pünktlich um acht stand unser Kanu- und Audrüstungsvermieter vor der Tür und wir verabschiedeten uns von unserer tollen Gastgeberin.
Nach einem kurzen Aufenthalt und großer Umpackerei von unseren Reisekoffern in wasserdichte Säcke im Camp wurden wir dann das letzte Stück zur Einsetzstelle gebracht, eine Kreuzung des Alaska Highway mit dem Teslin River, an der ein einzelnes Gasthaus steht (Johnson's Crossing) und an dem wir erstmal eine der legendären Zimmtschnecken aßen.
Nachdem wir mit dem Beladen des Bootes fertig waren krachte und donnerte es und wir zogen es vor, unter der Bücke abzuwarten, ob uns das
Unwetter treffen würde. Dies war zum Glück nicht der Fall und so konnten wir bei bedecktem Himmel aber trocken starten.
Zuerst übten wir auf dem langen, breiten und ruhigen Flussabschnitt einige Fahrmanöver, die später bei wilderem Wasser im wahrsten Sinne überlebensnotwenig werden können.
Nach dreieinhalb Stunden Fahrt schlugen wir unser erstes Camp auf.
Auf einer kleinen Halbinsel im Fluss ließen wir uns das erste von Nadeshda selbstgemachte Essen schmecken. Danach saßen wir noch etwas am Lagerfeuer zusammen und gingen dann erst gegen Mitternacht
ins Zelt.
Das Faszinierende hier oben im Norden ist, dass es zu dieser Jahreszeit nie dunkel wird.
21.07.2024
Ich wachte morgens gegen halb sieben auf, verließ das Zelt und beobachtete, wie die Morgensonne den Fluss in eine mystische Nebellandschaft
verwandelte. Nach meinem Bad im Fluss krümelte sich dann auch Maki aus dem Zelt und es gab erstmals Müsli mit Milchpulver zum Frühstück - geschmacklich deutlich besser als erwartet. Das
kanadische Milchpulver schlägt unseres um Längen.
Bis alles zusammengebaut und verstaut war wurde es Mittag, aber dann hatten wir einen herrlichen Tag bei strahlend blauem Himmel und 29 Grad.
Kurz bevor wir am späten Abend unser Lager aufschlagen wollten begann es sich rasch zu verfinstern und dichte, dunkle Wolkengebirge lösten binnen einer halben Stunde den herrlichen Hochsommerhimmel
ab.
Uns gelang es gerade noch, das Zelt im ersten einsetztendem Nieselregen aufzubauen; das Abendessen nahmen wir dann unter einer tropfenden Baumhöhle ein. Ohne Lagerfeuer gingen wir dann sofort zu Bett
und die ganze Nacht trommelte der Regen aufs Zelt.
Gesehen haben wir heute mehrere Weisskofseeadler, Biber und als Höhepunkt einen Elch direkt am Ufer.
22.07.2024:
Um sieben Uhr hatten wir eigentlich gar keine Lust, die trübe und feuchte Welt außerhalb unseres Zeltes zu betreten. Da wir aber jeden Tag mindesten
35 Kilometer paddeln müssen, blieb uns keine Wahl.
In einer plötzlich einsetzenden Regenpause, gelang es uns, das feuchte Zelt abzubauen. Das Omlett aßen wir dann wieder bei einsetzendem Regen.
Wir packten anschließend unser Boot und stachen bei trübstem Wetter in unsere Tour für heute. Die ersten Kilometer nieselte es und, dann wurde mit jeder Flussschleife der Hummel klarer, und nach zwei
Stunden paddelten wir wieder im schönsten Sonnenschein als wäre nichts gewesen. In der zweiten Tageshälfte bekamen wir dann zum ersten mal die Macht der Strömung zu spüren und wären in einer
Kehrwelle fast gekenter, da wir unachtsam waren und noch nicht hinreichend sicher in der Beherrschung unseres Kanus. Zum Glück hat das Boot nur einige Liter Wasser übergenommen, die an einer etwas
ruhigeren Stelle ausgeschöpft werden konnten. Glücklicherweise sind all unsere Klamotten wasserdicht verpackt.
An einer großen Flussschleife haben wir auf einer langen breiten Sandbank, die wir unter Einsatz unserer vollen Paddelkraft noch erreichen konnten, unser Lager aufgeschlagen. Das Zelt trocknete in
der prallen Sonne im Nu, Feuerholz gibt es hier ausreichend, der Ausblick ist wunderbar und der Fluss erfrischt und kühlt uns beim Baden.
Während der ganzen Nacht waren das Gepolter fallender Steine und eines stürzenden Baumes vom Steilhang direkt auf der andern Flussseite zu hören.
23.07.2024
Ich bin früh morgens aufgewacht und habe mich auf meinen Klappstuhl gesetzt und wurde mir der Ursprünglichkeit des Menschen bewusst.
Alleine in unberührter Wildnis zu sein, hunderte Kilometer weit weg von jeglicher Zivilisation, ist eine ganz berührende Erfahrung, die man nicht oft
in seinem Leben macht.
Nachdem Maki aufgestanden war, bereitete sie ein leckeres Frühstück. Wir klönten ausgiebig und waren erst um 10:30 Uhr auf dem Fluss.
Die erste Herausforderung waren die "Roaring-Bull-Rapids", die wir problemlos meisterten.
Im Verlaufe des Tages meisterten wir noch zwei weitere haarige Situationen, die aus starken Gegen- bzw. Querströmungen entstanden, welche
uns auf im Fluss befindliche Hindernisse mit Macht zutrieben und wir unsere ganze Kraft einsetzten mussten, um einer Kenterung zu entgehen. Zusammen mit fortwährendem böigem Gegenwind war
dieser Tag fahrtechnisch der bei weitem anspruchsvollste bisher. Zum Glück habe ich auf mehreren Wander-Kanutouren in Frankreich und auf heimischen Flüssen etwas Erfahrung hierher nach Kanada
mitbringen können.
Nach 65 gepaddelten Tageskilometern legten wir Abends gegen sechs auf einer wunderschönen einsamen Insel mitten im schnellströmendem Fluss an.
Als erstes bekamen Maki einen dicken Kuss, weil sie sich so ausgesprochen bravourös geschlagen hat. Es macht mir sehr viel Freude, zu beobachten, wie diese immer perfekt gestylte Großstadt-Puppe sich hier in der Wildnis schlägt und ohne Murren sowohl im Boot als auch beim Lager auf- und abbauen energisch mit zupackt. Ich wüsste gerne, wieviel Prozent ihrer Altersgenossen das schaffen würden. Vermutlich nicht allzuviele.
Nach zwei Tagen endlich wieder ein Bad im Fluss, um uns und unsere Klamotten wieder in Form zu bringen.
Nach einem wahrhaft romantischen Abendessen im Schein der orangenen Abendsonne und einem weiteren Klönschnack verkrümelten wir uns in die Schlafsäcke.
24.07.2024
Wir standen doch später auf als geplant -Grossstadtschlafmützen halt.
Auf unserer kleinen Insel, welche uns als Camp in dieser Nacht dient, fühlen wir uns sauwohl; der Blick ist wie immer fantastisch.
Das von Maki gezauberte Frühstück ließen wir uns in der Morgensonne schmecken. Um 10:30 Uhr waren wir dann endlich aufbruchsfertig.
Die letzten 30 Kilometer auf dem Teslin River absolvierten wir mit gemütlichem Wanderpaddelschlag bei guter Strömung, Windstille und schönem Sonnenschein. Am Nachmittag erreichten wir dann den Yukon, der uns hoffentlich problemlos bis Dawson begleiten wird.
Kurz nach der Einmündung machten wir unseren ersten Sightseeing-Stop dieser Tour und landeten auf einer Flussinsel an, die nicht umsonst „Shipyard-Island“ heißt.
In den 20er Jahren wurde dort ein majestätischer Raddampfer zur letzten Ruhe aufs Trockene gezogen, der vorher bei einer Havarie so stark beschädigt wurde, dass eine Weiterfahrt nicht mehr möglich war. In den letzten 100 Jahren ist der Holzaufbau zwar an einigen Stellen eingesackt aber das tut dem imposanten Anblick dieses alten Flussriesen im kanadischen Urwald keinen Abbruch.
Diese Dampfer wurden damals, als es noch keine Highways und Lastwagen hier oben gab und der Yukon die Lebensader Nord-Kanadas und Alaskas war, zum Personen- und Gütertransport eingesetzt, um in diesen unwirtlichen Landesteilen überleben zu können.
Nach einer halben Stunde stachen wir dann wieder in den Fluss, um uns nach weiteren 10 Kilometern dann ein Camp auf einer Kiesbank am Waldrand für die Nacht niederzulassen.
Es folgten ein Flussbad und das allabendliche Herrichten des Lagers - Zelt aufbauen, Isomatten und Schlafsäcke auspacken, Feuerholz sammeln, Essen zubereiten, Boot umdrehen und alle Klamotten und insbesondere die Esswaren und Kosmetikartikel regen- und bärensicher verpacken.
Das an dieser Stelle mögliche hohe Lagerfeuer machte den Platz sofort gemütlich und verscheuchte die widerlichen Bremsen.
Nach 50 Kilometern Paddelei mundete uns Makis Reispfanne ungemein und eine schönes Papa-Tochter-Gespräch beendete diesen wunderschönen Tag.
25.07.2024:
Der Wecker klingelte um 7 Uhr und Maki drehte sich noch einmal um, die einzigen Worte waren „Papa noch ein halbes Stündchen“ , also setzte ich mich alleine an den Fluss und genoss den kühlen klaren Morgen.
Nach Bad, Frühstück und Zeltabbau paddelten wir los bei schon relativ dunklen Himmel. Wir waren gerade eine halbe Stunde auf dem Wasser, als der Himmel vollends dunkel wurde und die Welt zu einer grauen Waschküche mutierte und die einzige sinnliche Erfahrung das unheilvolle Grollen eines aufziehenden Gewitters war. Es setzte Starkregen ein, der für die nächsten drei Stunden unser Begleiter sein sollte und der die letzte halbe Stunde in Hagelkörnern von Daumennagelgrösse überging - komplettes Mistwetter also.
Zu unserem Glück war mir aufgrund meiner Erfahrung von anderen Touren bewusst, dass man bei der Ausrüstung niemals sparen soll und dementsprechend wetterten wir diese drei Stunden prasselnden Dauerregens ungeschützt im Boot sitzend wenigstens trocken ab.
Aber wie der alte Spruch am Yukon über das Wetter geht: "Wenn es dir nicht gefällt, dann warte eine Stunde und dann ist es anders", riss auch hier der
Himmel auf und bei wieder warmen Sonnenstrahlen legten wir auf einer kleinen Insel im Fluss an, um unsere Regenklamotten auszuziehen und Mittag zu machen.
Uns gefiel die kleine Insel dann so gut, dass wir beschlossen, den lieben Gott für heute einen guten Mann sein zu lassen und den Nachmittag Sonne zu tanken.
Nach einem Mittagsschläfchen und dem obligatorischem Flussbad, waren wir gerade dabei, uns aufs Abendessen vorzubereiten und das Feuerholz zu hacken, als wir plötzlich mit einer völlig skurrilen
Situation konfrontiert wurden.
Aus der letzen Flussschleife tauchte plötzlich ein Kanu hervor mit hinten angebundenem Gummiboot und diese ulkige, weil für diese Gegend völlig unpraktische Konstrukuktion, legte an unserer Insel an,
ein kleines dickes gelbes Kerlchen stieg aus, ein Satelliten-Handy in der Hand und stapfte mitten in der Wildnis Gruß- und Kommentarlos an uns vorbei, um ebenfalls einen Campingplatz zu suchen. Kurze
Zeit später stapfte sein ca. 15 jähriger Sohn auf dieselbe unhöfliche Art an uns vorbei.
Hier in der Wildnis ist es nunmal üblich, dass man jedem anderen menschlichen Wesen zuwinkt und sich bei direktem Kontakt kurz vorstellt. Maki und ich sind dann auf diesen komischen Knilch zugegangen
und haben ihm erstmal erklärt, dass man sich hier grüßt und zweitens gefragt warum er keinen anderen Lagerplatz sucht, da es hier am Fluss alle paar Kilometer eine Campmöglichkeit gibt. Das Männlein
(vermutlich Chinese - Erfahrung aus meinen ganzen Asientouren) regte sich nun auf und beschwerte sich vermutlich lauthals bei seiner Familie über unsere Zurechtweisung, dann wurden aus dem Gummiboot
ein Klein- und ein Kleinstkind geholt (vermutlich so vier und eineinhalb Jahre alt) und Mutti kam auch noch, ebenfalls grußlos, aus dem Boot gekrochen.
Mir wird immer rätselhaft bleiben, wie man Kinder diesen Alters hierhin an diesen Ort mitnehmen kann, an dem bei Krankheit oder Unfall Hilfe im besten Fall binnen einiger Tage zu erwarten ist und wie
man zwei Kinder in einem Gummiboot diesen Strömungen aussetzen kann. Reißt das Seil oder öffnet sich der Knoten, dann ist Gummiboot samt Kindern weg und man muss bei dieser Strömung hier schon ein
verdammt guter Kanute sein um das Gummiboot wieder einzufangen.
Das wäre in etwa, als ob man bei uns die Kinder auf dem Autodach sitzend mitnähme.
Diese Menschen brauchten dann 2 1/2 Stunden um endlich ihr Lager aufzubauen und es hätte nur noch ein Kamerateam gefehlt und die nächste RTL2 Doku
wäre abgedreht gewesen.
Wir saßen dann noch bis gegen Mitternacht am prasselnden Lagerfeuer und genossen die Stille und Weite dieser ursprünglichen Wildnis.
26.07.2024:
Als wir morgens als wir um 7:30 Uhr aus dem Zelt kamen war der chinesische Spuk schon von unserer Insel verschwunden. Uns taten die beiden Kinder leid, die im Morgengrauen geweckt worden sein müssen und anschließend ins Gummiboot gesetzt wurden.
Wir machten uns bei schönstem Wetter ein Frühstück, dann stachen wir in den „See“ und paddelten munter vier Stunden. Zum Mittagessen legten wir auf
einer wirklich schön gelegenen kleinen Insel in einer Flussbiegung an. Nach einer kurzen Exkursion mit wie immer umgeschnalltem Gurt, an dem Bärenspay und Fahrtenmesser baumeln zur Vergewisserung ,
dass weder Bären noch Elche auf der Insel sind erkannten wir, dass dies ein idealer Rastplatz wäre. Es gab Feuerholz in Mengen, einen erhabenen Zeltplatz mit tollem Ausblick auf die Natur und
strahlendem Sonnenschein.
Wir beschlossen kurzer Hand, dass 45 Kilometer Paddelei für heute genug wären, bauten unser Zelt auf und verbrachten den Nachmittag mit einem Schläfchen, lesen und quatschen.
In der goldenen Abendsonne stiegen wir wie im Märchen in den Fluss, allerdings nur für so profane Tätigkeiten wie Zähneputzen und Waschen.
Anschließend saßen wir bis um Mitternacht am Lagerfeuer und erzählten uns Geschichten.
27.07.2024
Wieder ein Sonnentag und wieder das übliche Morgenprogramm: Frühstück machen, Zelt abbauen, Ausrüstung richten und verstauen. Das alles dauert immer so 2 - 2 1/2 Stunden.
Der Himmel bedeckte sich langsam als wir losfuhren und nach einer Stunde auf dem Wasser begann es wieder kräftig zu regnen. In Regenklamotten wenigstens wasserdicht verpackt paddelten wir stundenlang tapfer durch das prasselnde Wasser von oben.
Nie mehr vergessen werde ich den Anblick meiner taffen Tochter, die - eingehüllt in ihre Regenkapuze und den Blick auf den Bootsboden gerichtet - stundenlang wie eine kleine Maschine im Bug sitzend, stoisch und ohne Unterlass vor sich hin paddelt.
Am Abend gab es „Five“ und ein großes Lob dafür. Ein tolles Kind !
Zuhause in Berlin eine kleine Beauty-Queen und hier ein wahrhaftiger kleiner Trapper.
Gegen sechs Uhr abends fanden wir nach Inspektion der dritten Insel einen vernünftigen Legerplatz und bauten in einer Regenpause bei leichtem Nieseln rasch das Zelt auf.
Bei solchem Wetter ist ein trockenes „Zuhause“ dein ein und alles.
Draußen ist alles klamm, feucht, glitschig und sandig und innen hast du deine Wohlfühl-Oase.
Das Abendessen gab es nur kalt: Tomaten, Nüsse und Schokoriegel zusammen mit klarem Flusswasser eine wohlschmeckende Mahlzeit.
Wir spielten Skippo, als wir plötzlich bemerkten, dass unaufhörlich Tropfen vom Aussenzelt auf das Innenzelt platschten. Eine kurze Inspektion ergab, dass einer der Aussenreissverschlüsse nicht mehr dicht war. Wie das in den wenigen Tagen seit unserer letzten Regennacht passieren kann ist mir völlig unverständlich. Also wieder rein in die feuchten und sandigen Regenklamotten und in strömenden Regen zuerst den undichten Reißverschluss mit Panzerband zugeklebt und anschließend das Zelt oben mit unserer Regenpersenning vom Boot so abgedichtet, das wir und unsere Schlafsäcke die Nacht trocken verbringen konnten. Um 21 Uhr „ging das Licht aus“.
28.07.2024:
Wir sind wieder einmal auf einer Kiesbank mitten im Fluss aufgewacht.
Als ich heute morgen aus dem Zelt kam, konnte man in keine Richtung mehr als 10 Meter schauen -dichtester Nebel-, also gleich wieder hingelegt und noch ein Stündchen geschlafen. Um 8 Uhr hatte sich der Neben so weit gelichtet, dass der Fluss und die umliegenden bewaldeten Ufer in der Morgensonne aus dem Nebel hervortraten.
Um 12 Uhr fuhren wir weiter und erreichten bei gutem Wetter Carmacks, die erste menschliche Ansiedlung seit unserem Start.
Auf dem Campingplatz angekommen, haben wir uns erstmal abgeklatscht - die Hälfte unserer Tour ist vollendet.
Jetzt liegen noch einmal 400 Kilometer bis Dawson vor uns.
Wir entluden unser Boot, bauten unser Zelt auf und stürzten uns dann auf einen riesigen Hamburger mit Pommes -das erste Mal Fleisch seit 9 Tagen. Die riesige Portion Eis hinterher rundete den Tag vollends ab.
Hier war auch endlich wieder die Möglichkeit, mit unseren Liebsten in Kontakt zu treten, auch wenn es in Berlin schon nach Mitternacht war.
Die beste Ehefrau von allen freute sich sehr, dass Ehemann und Tochter bei guter Gesundheit sind und noch über alles Gliedmaßen verfügen.
29.07.2024:
Aufwachen und wieder ein reguläres WC benutzen -was sonst alltäglich ist, wird hier zur angenehmen Besonderheit. Wir warteten bis 9 Uhr und
frühstückten dann Bacon-Cheeseburger, Fischburger und Eiscreme. Nach dieser Fleischportion fühlten wir uns wie Popeye nach einer Spinat-Mahlzeit und flogen nur so übers Wasser dahin.
Wir genossen beim Paddeln den wunderbar blauen Himmel mit einzelnen weißen Wolken.
Der Yukon wird immer majestätischer und erreicht stellenweise eine Breite von über einem Kilometer.
Am Ende des Tages durchquerten wir als erstes die „Five-Finger-Rapids“, die einzigen wirklichen Stromschnellen unserer Reise. Sie sind die Überbleibsel eines riesigen ehemaligen Wasserfalls. Bei deren Durchfahrt übernahm unser schweres Boot einige dutzend Liter Wasser, sodass wir gezwungen waren, auf der nächsten erreichbaren Kiesbank anzuhalten um das Wasser wieder auszuschöpfen. Dabei liefen sowohl Makis als auch meine Stiefel komplett voll Wasser und zusammen mit den von der Durchfahrt ebenfalls durchnässten T-Shirts und Pullovern wurde es uns zum ersten Mal auf dieser Tour richtig kalt und ungemütlich. Aber Aufwärmen oder Klamottenwechsel waren nicht angesagt, warteten doch sieben Kilometer weiter die „Rink-Rapids“, die zweiten Stromschnellen heute. Diese entpuppten sich jedoch als bei weitem zahmer, sodass nur das Wasser deutlich unruhiger wurde aber die Durchfahrt für uns trocken vonstatten ging.
Direkt danach suchten und fanden wir auf einer kleinen Kiesbank mitten im Fluss ein sehr schönes Quartier für die Nacht.
Rasch war das Zelt aufgebaut und am prasselndem Lagerfeuer konnten wir uns durchwärmen und unsere nassen Sachen trocknen.
Gegen 22:30 Uhr erlebten wir dann ein ganz besonderes Naturschauspiel: der Himmel begann sich hinter den Bäumen, die hinter unserem Zelt auf der kleinen Insel wuchsen, zunehmend in
Orangetönen aufzuhellen. Diese Farbe wurde immer kräftiger, sodass wir zuerst glaubten, hinter uns sei ein Waldbrand ausgebrochen, bis letztendlich der ganze Horizont in gleißendes Orange getaucht
war.
Es hatte den Anschein, als würde ein gigantischer Hochofen sich daranmachen, die gesamte Erde beginnend an ihrem westlichen Punkt unerbittlich einzuschmelzen.
Es war ein Sonnenuntergang in Alaska um Mitternacht - unglaublich schön.
30.07.2024
Während der Nacht prasselte unaufhörlich Regen auf unser Zelt.
Als wir um 8:45 Uhr aus dem Zelt krabbelten war die Welt nass aber der Regen hatte aufgehört.
Also nahmen wir, in Regenklamotten gehüllt, unser Frühstück ein, packten zusammen und der Yukon hatte uns wieder.
Nach 1 1/2 Stunden hub der Regen von neuem an, die Welt bestand aus einer Abfolge von Grautönen und das Gespräch erstarb. Schweigend paddelten wir eine Stunde durch strömenden Regen, dann rissen binnen kurzer Zeit die dunklen Wollen auf, die Sonne kam zum Vorschein und Maki, das kleine Maschinchen im Bug, legte sich erschöpft auf die Seesäcke hinter ihr und schlief in der Sonne vom Paddeln müde ein.
Ich hielt das Boot auf Kurs und navigierte zwischen den jetzt riesigen und immer zahlreicher werdenden Flussinseln hindurch.
Gegen späten Nachmittag verdüsterte sich der Himmel wieder und wir schlugen abermals auf einer kleinen Flussinsel gerade noch trocken unser Zelt auf. Das darauffolgende Abendessen nahmen wir im Regen ein und wollten schon ins Zelt gehen, als binnen Minuten der Himmel wieder blau wurde und wir uns noch stundenlang in der Abendsonne zum Schnacken auf unsere Campingstühle setzten konnten.
Ein völlig verrücktes Wetter hier.
31.07.2024:
Morgens sah die Welt wieder trübe aus, sodass wir noch eine Stunde weiterschliefen.
Beim erneuten Öffnen des Zeltes das gleiche Ergebnis. Wir machten uns dann Frühstück und als es wieder zu nieseln begann, entschieden wir uns dafür, heute hier zu bleiben, da auch der Wetterbericht, den wir noch in Carmacks empfangen konnten, auch für den heutigen Tag extremen Regen vorhergesagt hat. Dies sollte sich als wahrhaft weise Entscheidung herauskristallisieren, da die Sonne sich den ganzen Tag nicht sehen ließ und Wetter und Stimmung zwischen trüb, trüber und Regen wechselte.
Wir saßen im Zelt, lasen, quatschten, spielten Skippo oder schliefen.
Auch während des Abendessen fing es wieder an zu regnen, sodass an ein Lagerfeuer nicht zu denken war. Entsprechend früh schliefen wir ein.
01.08.2024:
Heute wachte ich auf und sprang wie auf Sprungfedern aus dem Zelt, weil mir die Morgensonne ins Gesicht schien. Der Himmel war endlich wieder strahlend blau, also das wie immer verschlafene Töchterlein geweckt ohne das wie sonst übliche „Papa nur noch ein halbes Stündchen“ zu akzeptieren und anschließend ein herrliches Frühstück verzehrt.
Voller Vorfreude auf einen schönen Paddeltag haben wir dann das Zelt abgebaut und starteten unter stahlblauem Firmanent unsere heutige
Bootsetappe.
Der Fluss wird immer breiter und statt vieler Windungen und Mäander ist der Yukon nun zu einem majestätischen Wasserband herangewachsen, das von einer Unzahl Inseln unterschiedlichster Größe oft in
mehrere Flussläufe sich aufteilt. Ich muss die Flusswanderkarte sehr genau studieren um nicht in ein falsches Fahrwasser abzubiegen.
Nach vier Stunden Paddelei sichteten wir unseren ersten Bären, er stand aufrecht an einem Busch und wir fuhren in 10-12 Metern Entfernung leise an dem nicht minder erstaunten Bären vorbei.
Wenige Kilometer später legten wir in „Fort-Selkirk“ an, der ehemals größten Handelsniederlassung der Hutson-Bay-Company am Yukon.
Dieses Fort, gelegen auf einem kleinen Berg in einer Flussbiegung und gesegnet mit einem herrlichen Ausblick, wurde 1848 errichtet, von den Indianern
1852 eingenommen und zerstört und erst 1880 wieder besiedelt. Wir sahen uns voller Staunen die zum Teil noch sehr gut erhaltenen Blockhütten mit dem darin erhaltenem Orginalinventar an.
In der Schule war ein komplett erhaltenes unrestauriertes Klassenzimmer zu besichtigen. Der ehemalige Kaufmannsladen und die Kirche waren ebenfalls noch im originalen Zustand.
Ein faszinierender Einblick in die Lebensweise hier oben im Norden vor 150 Jahren.
Beim Rundgang durch dieses stattliche Gelände stellten wir fest, dass am Ende ein von der kanadischen Regierung zur Verfügung gestellter und gut
ausgerüsteter Campingplatz angelegt worden ist.
Also beschlossen wir, die Nacht hier zu verbringen, setzten das Boot noch einmal um und mussten unser Gepäck dann über eine steile Treppe nach oben tragen. Da unser Zelt direkt am Steilufer stand,
wurden wir für diesen Aufwand mehr als belohnt.
Nach dem Abendessen saßen wir beide noch an einer Bank direkt an der Abbruchkante oberhalb des Flusses und lasen.
Maki verabschiedete sich gegen zehn und ich hatte noch eine nette kleine Unterhaltung mit einem schottischen Kanulehrer, der jetzt hier in Kanada seine Erfahrung weitergibt und der seine Liebe zum Wasser als 14 jähriger Mitte der 70er Jahre auf der Havel entdeckt hat, als er als Sohn eines britischen Offiziers, der auf dem Teufelsberg gearbeitet hat, in Gatow auf eine Segelschule ging.
Ich liebe diese kleinen Geschichten, die das Leben schreibt.
02.08.2024
Bei bewölktem Himmel, jedoch ohne Regen, brachen wir nach dem Frühstück auf, nicht ohne uns vorher allgemein und gegenseitig von unseren Paddelkameraden aus Kanada, Amerika und Schottland zu verabschieden.
In der zweiten Tageshälfte legten wir dann 45 Kilometer bei strahlendem Sonnenschein zurück. Wir legten am späten Nachmittag auf einer kleinen
Flussinsel an und sahen während des Zeltaufbaues unseren zweiten Bären. Diesmal streifte er am Hang des gegenüberliegenden Flussufers entlang, sodass wir ihn mehrere Minuten lang beobachten konnten.
Wir badeten im Fluss und wuschen uns und unsere Wäsche.
Wir aßen ein von Maki gekochtes leckeres Abendbrot und sitzen jetzt zufrieden am Lagerfeuer und quatschen.
03.08.2024:
Heute war das Wetter wieder super, allerdings hatten wir in der ersten Tageshälfte massiven Gegenwind, der dem Bug des Bootes immer wieder eine
ungewollte Richtungsänderung bescherte, welche wir immer wieder unter Aufwendung überproportionaler Muskelkraft zu korrigieren hatten.
Zum Glück schlief der Wind am frühen Nachmittag vollständig ein, sodass wir in der zweiten Tageshälfte dann Strecke machen konnten und unser Tagessoll von 40 Kilometern zurückgelegte Strecke knapp
absolvieren konnten.
Bei voller Abendsonne spielten wir Skippo, lasen und saßen noch bis um 23 Uhr am Feuer.
04.08.2024
Wir wachten auf und kein einziges Wölkchen war am stahlblauen Himmel zu entdecken. Bei der heutigen Fahrt entdeckten wir einen Karribu, das direkt vor uns den Fluss überquerte.
Am frühen Abend begann Maki ihre erste Meuterei, weil wir zehn Kilomer länger paddeln wollten als sonst üblich, es wurden daraus nur fünf und mit einem Küsschen war die Welt dann auch wieder in Ordnung.
Am Nachmittag war das Wetter so gut, dass ich mich im Fluss nicht nur gewaschen habe sondern ein richtiges Flussbad genommen habe, um mich nach der Paddelei entsprechend abzukühlen. Später am Abend zauberte Maki dann ein wunderbares Abendessen und wir beschlossen diesen herrlichen Sommertag in der Abendsonne sitzend.
05.08.2024
Um 8:30 Uhr klingelte der Wecker und der Himmel strahlte in einem nahezu unglaublichen Rivera-Blau. Wir ließen uns mit dem Frühstück und dem Zeltabbau Zeit und ließen unser Bötchen um 11:30 Uhr zu Wasser. Wir paddelten bei Kaiserwetter durch die herrliche Landschaft. Der Yukon ist hier ein riesig breiter und sich kraftvoll dahinwälzender Strom, der sich immer wieder in einzelne kleinere Flussinseln oder ganze Insellandschaften mit einem eigenem Kanalnetz ausweitet. Liebliche Wälder und schroffe, steil bis ans Flussufer abfallende riesige Granitfelsen von mehreren hundert Meter Höhe bilden immer abwechselnd die Begrenzung. Das alles eingebettet in eine Gebirgskette, deren Gipfel 1000-2000 Meter Höhe erreichen.
Wir haben uns heute lautlos unter einem Weisskopfseeadler durchtreiben lassen, der auf einer Tannenspitze direkt am Ufer saß. Während der ganzen Tour haben wir schon mindestens 20 dieser imposanten Vögel beobachten können.
Am Nachmittag legten wir auf einer Samdbank an, breiteten unsere Isomatten auf einem kleinen sandigen Fleckchen aus, gingen ausgiebig baden und ließen uns anschließend in der Sonne trocknen und fühlten uns mehr wie auf Sizilien als in Alaska. Die Temperatur heute betrug bestimmt 30 Grad.
Zum Abendessen gab es eine Reispfanne, danach zum Dessert Apfelmus und danach folgte das hier mitlerweile zum Ritual gewordene Eintauchen eines großen Löffels ins Nutella-Glas für jeden von uns.
Dieses Ritual haben wir schon seit Beginn unserer Reise; wir freuen uns jeden Abend darauf, gemeinsam ganz langsam wie ein Eis diesen einen Löffel Nutella langsam aufzuschlecken.
Am Abend kam dann stark böiger Wind auf, sodass ich das Zelt noch mit mehreren Abspannleinen versehen habe.
Der Wind,der um das Zelt heulte, war unser Einschlaflied.
06.08.2024
Im (Nord)- Westen nichts Neues -
gutes Frühstück, danach azurblauer Himmel, schöne Paddelei, gute Laune, prima Abendessen.
Was besonders beeindruckend ist, ist die absolute Stille,die einen hier über viele Stunden des Tages umgibt. Wenn der Fluss nicht an einem Stein murmelt, wenn es windstill ist und auf dem Wasser
keine Insekten unterwegs sind, dann ist die Stille absolut. Es ist dann buchstäblich nichts, kein einzelner Ton, zu hören.
Das letzte mal hatte ich dieses Erlebnis, als ich mit Freunden Silvester 1988 auf einer einsamen Blockhütte im Hoch-Schwarzwald verbracht habe; ich kann mich nicht erinnern, dass ich in den dazwischenliegenden 32 Jahren jemals wieder von völliger Stille umgeben war.
07.08.2024:
Heute waren wir nach Abbau unseres Camps um 11 Uhr auf dem Wasser; dies ist unser letzter richtiger Paddeltag und unsere letzte Übernachtung im Zelt in der Wildnis.
Heute hat die Paddelei erst am Nachmittag Spaß gemacht. Am Vormittag sind wir teilweise durch kleinere Seitenkanäle gepaddelt, der Himmel war vom Rauch diverser schwerer Waldbrände so verhangen, dass die Sonne nicht richtig durchdringen konnte und wir im diffusen Licht durch eine apokalyptisch anmutende Landschaft gefahren sind. Zwischen den kleinen Inseln treiben Hochwasser und Winterstürme die ganzen Bäume und Äste, die der Yukon immer mit sich führt, zu riesigen Stapeln zusammen, die dann wie riesige, ausgebleichte Knochengerüste auf den Kiesbänken liegen.
Am Nachmittag kam dann wieder die Sonne durch und in dem mächtigen Strom lagen nur noch vereinzelte Inseln. Auf einer dieser Inseln haben wir auf einer wunderschönen riesigen Sandzunge unser letztes Camp dieser großartigen Reise aufgeschlagen.
Wir sind jetzt 35 Kilometer von Dawson, unserem Endziel entfernt, welches wir morgen am frühen Nachmittag erreichen werden, wenn Klein-Maki rechtzeitig aus dem Federn kommt.
Dann ist endlich wieder warm duschen, Körperpflege, Kontakt zu anderen Menschen und last but not least ein riesiges Steak und ein nicht minder riesiges Bier zum Abendbrot angesagt.
Jetzt genießen wir allerdings den letzten Abend in der menschenleeren kanadischen Weite an dem großen Strom der uns in den letzten drei Wochen so mächtig ans Herz gewachsen ist.
Nach einem Bad im eiskalten Fluss lassen wir uns gerade in der Abendsonne trocknen und freuen uns schon auf den deftigen Nudelteller, den Nadeshda gleich bereiten wird.
08.08.2024:
Ich wachte um 7 Uhr auf, nahm mir meine warme Fleccejacke und setzte mich mit meinem Klappstuhl an den Fluss, um Abschied zu nehmen, bevor die
Morgensonne ihre ersten Strahlen über die Berge schickte.
Um 8 Uhr klingelte dann der Wecker und Maki krabbelte aus dem Zelt, kochte schnell zwei Tassen Tee und leistete mir dann Gesellschaft. Wir unterhielten uns über Gott und die Welt und verspürten
überhaupt keine Lust, unser Zelt zum letzten Mal abzubauen.
Nach eineinhalb Stunden intensiven Gesprächs rafften wir uns auf, beluden zum letzten mal unser treues Bötchen und schoben das Kanu in den Fluss. Wieder unter absolut wolkenlosem und blauem Himmel
nahmen wir die letzten 35 Kilometer vor den Bug.
Nach der ersten Paddelpause kamen wir irgendwie auf preußische Geschichte und da sich Maki zunehmend interessiert zeigt an solchen Sachen habe ich ihr, beginnend beim großen Kurfürsten, einen kurzen
Abriss der preußischen Geschichte erzählt.
Nach zweieinhalb Stunden waren wir sowohl bei der Gründung des deutschen Reiches im Spiegelsaal des Schlosses von Versailles als auch kurz vor Dawson angekommen.
Die letzten Kilometer legten wir dann bei starken Gegenwind und mit Wehmut im Herzen zurück und landeten dann ziemlich genau am Abgabeplatz unseres Bootes und unserer Ausrüstung in einem Hotel an der
Frontstreet an.
Dort wartete noch eine böse aber letzte Anstrengung auf uns.
Wir mussten unsere gesamte Ausrüstung sowie das dann leere Kanu über einen rutschigen und geröllhaltigen Steilhang ca. 20 Meter nach oben
bewegen, um das Niveau der Böschung zu erreichen.
Als wir das schweißgebadet in der Nachmittagssonne erledigt hatten mussten wir das Boot nur noch auf den Bootswagen heben und zum Hotel auf der anderen Straßenseite hinüber rollern.
Dort verstauten wir Boot, Werkzeuge und Ausrüstung, die wir uns geliehen hatten und stapften mit unserem eigenen Kram zu unserem vorgebuchten Hotel.
Dort bekamen wir unsere Zimmerschlüssel und als wir uns schmutzig und verschwitzt nach drei Wochen endlich unter die warme Dusche unseres Zimmers
stellen wollten stand unter derselben schon jemand. Mit einem Handtuch um die Hüften kam der Bewohner unseres Zimmers uns entgegen und fragte uns, was wir in seinem Zimmer zu suchen hätten. Wir
zeigen ihm unsere Schlüssel , die die gleiche Zimmernummer wie seine aufwiesen.
Ich begab mich dann nochmals zur Rezeption und unter mehrfacher Entschuligung bekamen wir dann eine anderes und besseres Zimmer mit zwei großen Doppelbetten. Dann endlich die seit Tagen ersehnte
warme Dusche und frische Klamotten, die wir uns für Dawson extra aufgehoben hatten und dann gingen wir zum Abendessen.
Da sich vor dem Restaurant vor unserem Hotel eine längere Schlange gebildet hatte fanden wir nahe unserer Unterkunft ein chinesisches Restaurant, indem wir uns gebratenen Schweinebauch und eiskaltes
Pils sowie eiskalte Cola schmecken ließen.
Dawson ist ein wirklich witziges Städtchen; es sieht hier aus wie in einem Westernfilm, nur dass die Cowboys hier Pickup fahren.
Wir freuten uns auf die erste Nacht, die wir nicht mehr auf den Isomatten sondern im flauschigen Bett verbringen und machten um 23 Uhr unter einem leise vor sich hinsirrendem Deckenventilator das
Licht aus.
Wir schliefen beseelt ein und träumten vom großen Fluss.
Mein Fazit dieser Tour:
1. Ich habe ein phantastisches Kind
2. Ich merke so langsam meine mittlerweile 64 Lebensjahre. Das Aufstehen aus dem Zelt oder nach einem ganzen Tag im Boot lässt die alten Knochen jetzt vernehmlich knacken.
3. Es ist etwas ganz und gar Besonderes und Herausragendes, sich alleine fernab jeglicher Zivilization zu bewegen. Dabei wird einem richtig bewusst, wo wir einst gestartet sind als menschliche Rasse und wie entbehrungsreich und oft auch qualvoll dieser Weg gewesen sein muss. Wie froh können wir sein, heute und hier leben zu dürfen! Ich war jedenfalls heilfroh, im Starkregen über wasserfeste Gore-Tex-Bekleidung zu verfügen und das allabendliche Kochfeuer mit Sturmfeuerzeug und Propangaskocher entzünden zu können und mich anschließend in mein hochwertiges Zelt zur Ruhe legen zu können.
Da nicht nur Freunde und Bekannte diesen Blog lesen sondern auch Interressierte, die diese oder eine ähnliche Tour planen und sich hier Tips holen möchten, hier noch einige Anmerkungen zu eventuellen Gefahren:
Generell gilt, das man diese Tour alleine nur machen sollte, wenn man etwas Erfahrung hat, alleine oder mit nur einer Begleitperson über Wochen zurechtzukommen ! Die Einsamkeit hier draußen ist nicht zu unterschätzen.
Strömung und Stromschnellen:
Ausser den Five-Finger-Rapids gibt es keine nennenswerten Stromschnellen auf dem Teslin oder dem Yukon. Diese sind aber nicht von Pappe und ich würde sie nicht bei Hochwasser UND Seiten- oder
starkem Gegenwind machen. UNBEDINGT GANZ RECHTS ANFAHREN !
Flusskarten:
Immer daran denken: es gibt hier draußen nirgendwo Netz und somit keine Navigation über Handy. Eine gute Flusskarte (die Besten sind von Mike Rourke und im Outdoorladen "Up North" in Whitehorse erhältlich) ist ab Carmacks unerlässlich und sollte auch gelesen werden können.
Bären:
der Dauerbrenner hier unter den Kanuten.
Im Netz stehen oft Schauergeschichten, die hier von allen Erfahrenen mit einem Lächeln abgetan werden. Oft hat der Bär mehr Scheu vor dem Menschen als umgekehrt.
Wir haben zwar zweimal Bären aus der Nähe gesehen, andere berichten über häufigere Sichtungen und in der Regel bleibt es dabei.
Allerdings: Keine Regel ohne Ausnahme
Es gibt auch sogenannte "Problembären", die aus Unachtsamkeit oder purer Dummheit von Menschen angefüttert worden sind und daher kaum noch ihre ursprüngliche Scheu erhalten haben.
Ich habe nie einen Schritt hier draußen ohne den Gurt mir Bärenspray und Fahrtenmesser gemacht und auch immer dafür gesorgt, das meine Tochter ihr Abwehrspray immer dabei hatte.
Hier noch ein Auszug aus einer Broschüre aus der Beratungs- und Informationsstelle der Provinzregierung für solche Outdoor-Touren:
Es gibt sie eben und wenn es auch nur wenige sind
Also nie nachlässig werden, Lebensmittel und alle Kosmetika (auch Deo, Labello und Zahnpasta) IMMER nur in geruchsfesten Tonnen lagern, diese nie über längere Zeit offen stehenlassen und immer mindestens 100 Meter vom Lagerplatz entfernt lagern.
NIEMALS Lebensmittel mit ins Zelt nehmen, nicht das Messer an der Hose abwischen und nach der Essenszubereitung Hände im Fluss mit Bio-Seife waschen, um Gerüche aus dem Zelt heraus zu vermeiden.
Geschirr immer sofort mit Flusssand säubern.
Toi, toi, toi
Nicht bange machen lassen, jede Tour hier draußen ist ein unvergessliches Erlebnis !