Innsbruck - das Goldene Dachl 

Ein verdientes Feierabendbier auf der Hotelterrasse

 

 

15. 8.

Heute gilt 's.

Das Navi zeigt mir 1400 Höhenmeter an, die zu bewältigen sind, daraus geworden sind am Ende des Tages 1850 !
Das Navi ist in der Ebene und im Mittelgebirge nahezu unschlagbar was die Kenntnis kleinster Verbindungspfade betrifft, die das Fahren zwar manchmal abenteuerlich machen, aber wenn man einmal genügend Vertrauen in die bisweilen sehr unkonventionelle Routenführung gefunden hat beschert es einem im Gegenzug tolle  und oft unberührte Landschaften zum durchfahren.

Das gleiche tut es nun aber leider auch im Hochgebirge und wenn man dann zum wiederholten Mal einen nur fussbreiten Maultierpfad entlang einer Alm oder eines Waldrand erwischt, dann heißt es, mit dem schweren Rad nur nicht von der kleinen Spur Richtung Talseite abweichen, da geht es dann nämlich richtig runter !  Nach einiger Zeit auf diesen Trampelpfaden und zum Teil auch bösen Anstiegen habe ich mich dann zum nächstgelegenen Dorf ins Tal führen lassen per Navi, wobei es nochmals sehr steil bergab ging und dann bin ich brav die gesamte normale Passtrasse wieder hoch bis kurz vor die Passhöhe geradelt.

Ich war dann auch froh, mein Hotel erreicht zu haben, das überraschenderweise auch über eine wunderschöne Saunaanlage verfügte und in dem ich am Abend auch gut zu essen bekommen habe.

Im Gebirge ist ein e-Bike wirklich Mist, der kleine Motor bringt bei richtigen Steigungen (so ab 12%) keine Entlastung mehr, da ist er völlig überfordert. Man kann leider die Übersetzung des Rades nicht ändern bei e-Bikes und so ist man im Gebirge mit dem deutlich schwereren und mangelhaft übersetztem Rad gegenüber einem konventionellen Fahrrad im Nachteil - da dudelt man sich im kleinsten Gang langsam den Berg hoch und hat nicht das Gefühl, das einem gleich die Oberschenkel platzen, weil man zwangsläufig an sein Limit bei Steigungen kommt.

Wie immer im Leben; man braucht Erfahrung und ebenfalls wie immer:  gerade die schlechten Erfahrung bringen einen weiter.

 

45 km              1850 Höhenmeter 

16. 8. 

Heureka

ich bin oben, die Alpenüberquerung ist (fast) geschafft.

Das Wetter ist allerdings garstig, so unfreundlich  hat mich Italien wohl noch nie empfangen.

Ich bin jetzt in Sterzing am Südabhang des Brenner. Ich hätte heute von der Strecke her auch noch locker nach Brixen durchfahren können, aber ich bin mit Rosie und Jürgen dort erst morgen Abend verabredet und wollte mir eigentlich nach ein wenig Gebirgsluft schmecken lassen, vielleicht wird das Wetter nochmal besser heute, Sterzing soll eine sehr schöne historische Altstadt haben.

 

40 km                1200 Höhenmeter 

 

 

Abwärts geht's auf einer ehemaligen Bahnstrecke.

Der Himmel reißt ab und an mal kurz auf, da trocknet es mich und mein Rad.

Übrigens:

ich liebe grottenschlechte Rotweine in menschenleeren Fernfahrer-Raststätten während es vor der Tür in Strömen regnet.

Hab´ ich Euch das noch nie erzählt ?

35 Jahre später

17 8.

Zum Glück wechselt das Wetter in den Bergen schnell. Heute sieht die Welt wieder ganz anders aus.

Ich bin über Franzensfeste gemütlich nach Brixen geradelt, nachdem ich mir die lohnenswerte Altstadt von Sterzing noch angesehen habe, das fiel gestern witterungsbedingt aus.

Gleich werden Rosie und Jürgen eintreffen, der Tisch für das Abendessen ist schon bestellt.

 

41 km        1200 Höhenmeter 

Ein netter Altstadtbummel in Brixen und ein Abendessen sowie die (fast obligatorische) Amarone - Verkostung beendeten  einen schönen Tag.

Ich liebe zwar meine Einsamkeit auf Zeit, aber es macht immer wieder Spaß, mit guten Freunden bei gutem Essen und prima Weinen zusammenzusitzen und den Abend zu verklönen. Genau das haben wir heute Abend getan.

So ruhet nun wohl, meine teuren Freunde 

18. 8.

Heute morgen haben mich Rosie und Jürgen verabschiedet.

Ich bin heute sehr früh aufgestanden und war pünktlich um 7.00 Uhr am Frühstückstisch, da ich heute ein knackiges Programm zu absolvieren hatte, 85 km und 2700 Höhenmeter. Das hatte es wahrlich in sich, ich bin heute den ganzen Tag fast nur noch oben gefahren, 7 Stunden ununterbrochen Steigung.

Der Anfang war heftig, bis Franzensfeste, den  Einstieg ins Pustertal, musste ich alles wieder hochkurbeln, was ich gestern sausend zu Tal gen Brixen gedüst bin. Was tut man nicht alles für ein nettes Abendessen mit Freunden !
Das hatte aber auch seine Vorteile, so habe ich die gestrigen Rotweinkalorien gleich wieder in Kurbelumdrehungen umsetzen können.

Ich war allerdings dann um drei Uhr doch sehr froh, mein Tagesziel in Sexten in den Dolomiten erreicht zu haben.

 

85 km                2730 Höhenmeter 

Kleiner Nachtrag um 21.40 Uhr:

Ich komme gerade aus der Hotel-Sauna, in der ich nach einem frühen Abendessen als einziger war. Finnische Sauna, Dampfsauna, Biosauna - es hätte ein richtig schöner und relaxten Abend werden können, wenn nicht relativ laut die ganze Zeit "Radio Vaticano" eingespielt worden wäre, und zwar auf Deutsch (ich bin immer noch in Südtirol).

Ich dachte immer, mit Schlagerradio und RTL II hätten wir schon den absoluten Tiefpunkt der abendländischen Kultur erreicht, wurde aber gerade eines Besseren belehrt.

Diese Mischung aus ewig indoktrinärem Geschwätz auf  intellektueller Knöcheltiefe von perwollweichgespülten Stimmen der Moderatoren und unglaublich naiv-dümmlichen Gesangseinlagen würde in Berlin den aufgeweckteren Anteil von Vorschulkids auf die Barrikaden treiben.

Kostprobe gefällig ?

" Ich brauche keinen Urlaub

Ich brauche keine Partys

ich brauche keinen Whiskey

und auch kein Psychater

denn was ich brauch´ bist du"

(gemeint war die Jungfrau Maria - natürlich ohne halterlose Nylons - was dem Text zumindest einen gewissen Sinn verliehen hätte)

und NEIN, ich habe mir diesen Text nicht selber ausgedacht !

Der Witz ist: Diese Typen regen sich gerade über die Taliban auf

 

19. 8.

Heute muss ich mir genau überlegen, welche Bilder ich hier für mein Tagebuch verwende. Ich habe heute wirklich viele Bilder gemacht und das lag daran, das ich den ganzen Tag in der Hochgebirgsregion der Dolomiten unterwegs war und praktisch hinter jeder Wegbiegung wieder ein lohnenswertes Photomotiv auftauchte.

Es war der bisher schönste Fahrtag der Tour mit gutem Wetter,  nur mittelanstrengendem Terrain und grandioser Natur.

 

60 km                1570 Höhenmeter 

nur nochmal zur Erinnerung:

sämtliche Bilder öffnen sich seitengroß, wenn man einmal daraufklickt

20. 8.

Heute war ein völlig unaufgeregter Fahrtag, den ich locker angehen ließ; schließlich bin ich auf der Südseite des Alpenhauptkamms und daher geht es hauptsächlich abwärts.

Ich bin die ersten Stunden mit ziemlichem Speed (allerdings ohne meinen bisherigen Höchstgeschwindigkeitsrekord von 74 km/h 

überbieten zu können) all´ die Höhenmeter wieder runtergedüst, die ich in den Tagen zuvor mühsam hochgekurbelt bin.
Dann bin ich nach etwa 45 km ins Tal der Piave abgebogen und bin dem Flusslauf einige Kilometer gefolgt und bin jetzt in meinem Hotel angekommen.

Vom Balkon meines Zimmers habe ich nochmal einen tollen Blick auf die Berge.

 

67 km            2200 Höhenmeter 

21. 8.

Heute habe ich die Alpen verlassen.

Ich bin morgens die letzten Kilometer zu Tal gesaust und danach immer parallel zu den letzten Ausläufern der Berge durch das anmutige hügelige Gebiet des Valdobbiadene geradelt. Hier wächst der Prosecco und ich empfinde  es jedesmal angenehm, durch Weinanbaugebiete zu fahren. Egal wo auf der Welt ist ihnen immer gemeinsam, das es durch liebliche Landschaften geht, oft mit gepflegten kleinen Orten, die nett geschmückt sind, propere und adrette Vorgärten und geschmackvolle Häuser, die den Weg säumen. Genau so sieht es hier auch aus.

Um zu meinem Hotel "Bella Vista" zu gelangen, musste ich zum Abschluss meiner heutigen Tour nocheinmal kräftig den Berg hoch, dafür entschädigt aber der schöne Ausblick für die nächsten beiden Tage, da ich hier zwei Tage Pause einlegen werde.

 

67 km             1250 Höhenmeter 

22. 8.

Heute ist Ruhetag. Ich bin in einem wunderschönen kleinen Farmhaus inmitten der Weinberge bei Mutter und Tochter untergekommen und Mama mästet mich zu Tode.

Gestern angekommen und hungrig nach der  Fahrerei  habe ich alles, wenn auch mit Mühe, bewältigt, was mir hier an Leckereien zum 4-gängigen Abendessen aufgetischt wurde.

Heute habe ich dann mehrmals inständig darum gebeten, mir bitte nur jeweils die halbe Portion aufzutragen, was zur Folge hatte, das auf dem Spagettiteller ein halbes Pfund weggelassen wurde, ansonsten war das Ergebnis wie gestern.

Würde ich hier länger als zwei Tage Quartier nehmen, dann könnte man mich zurück über die Alpen rollen !

35 Jahre früher

30 Jahre später

23. 8.

Das Frühstücksinferno habe ich mannhaft bewältigt, jetzt hänge ich schwer atmend in den Sofakissen und bereite mich schon mental auf das Abendessengebirge vor.

Mama ist unerbittlich und es schmeckt wunderbar !

24. 8.

Nachdem Mama mir noch frisches kaltes Mineralwasser in meine Fahradflasche gefüllt hat konnte ich mich heute morgen nach dem wie immer opulenten Frühstück auf den Weg nach Padua machen, wo ich mittlerweile eingetroffen bin. Ich habe hier ein nettes kleines Hotel in unmittelbarer Nähe eine der ältesten Universitäten Europas. Die Fahrt war unanstrengend und nett , zuerst durch die Weinhänge des Prosecco- Gebiets und später durch dichten Wald und zum Ende kilometerlang auf dem Deich eines kleinen Flüsschens.

ich werde jetzt noch ein wenig lesen auf meiner Terrasse und danach in die Altstadt gehen, wenn es etwas kühler ist.       Ciao

67 km               300 Höhenmeter 

Charlie Watts, der heute gestorben ist , in Memoriam

25. 8.

Heute war stumpfsinnige Flachland-Bolzerei

angesagt. Ich bin in der Po-Ebene unterwegs, einer der uninteressantesten Landschaften Europas, völlig flach und hauptsächlich Industrie.

Zur Krönung hatte ich heute fast nur böigen Gegenwind und die Fahrerei ging zum Drittel über stark befahrene Fernstraßen mit LKW's im Abstand von einem Meter. Nervig bis zum get no, aber das e-Bike hat sich heute vollständig rehabilitiert.

95 km              279 Höhenmeter 

Ferrara

26. 8.

Heute bin ich kurz nach Bologna weitergefahren.

Mit Ausnahme des heute ausgebliebenen Gegenwindes gibt es nichts berichtenswertes, alles ähnlich wie gestern. Da es auch keine Bilder von der heutigen Tour gibt mangels Motiven , stelle ich einige Photos von meinem gestrigen Altstadtbumnel in Ferrara ein.

 

70 km              200 Höhenmeter 

27. 8. 

Stupide Flachlandbolzerei Teil III absolviert - keine weiteren Vorkommnisse.

Daher noch ein paar Bilder aus der Altstadt von Bologna von gestern.

125 km           250 Höhenmeter 

35 Jahre früher

28. 8.

Ich bin endlich wieder in den Bergen, dafür aber auch knüppelhart. Ich musste meine Tour heute einkürzen, da ich die Kapazitäten beider Akkus zum ersten Mal beinahe ausgeschöpft habe und ohne deren Saft keine Hilfe vom Motor und ohne den habe ich bei diesen Steigungen nicht mal den Ansatz einer Chance.

Der frühere Stop stellte sich nach kurzer Zeit als immenser Glücksfall heraus, da ich in einem wirklich sehenswerten Bergdorf untergekommen bin weitab von jedem Tourismus. Es war ein einzigartiges Erlebnis, als einziger Fremder durch das Dorf zu laufen und am Abend in der kleinen Dorfgasse wirklich lecker zu essen. Das Gespräch mit Einheimischen blieb in Italien natürlich nicht aus und meine Tour erntete großes Hallo und einen Rotwein auf Kosten des Hauses (oder eines privaten Spenders?).

68 km              1800 Höhenmeter 

29. 8.

Heute morgen habe ich einen völlig beknackten Anfängerfehler begangen, der mir eigentlich nicht mehr passieren darf. Ich habe nach der Ausfahrt aus dem Bergdorf nicht nach ein paar Metern überprüft, ob ich auf der richtigen Straße bin !
Erst als ich 15 Minuten ununterbrochen steil bergab gefahren bin ist mir Blödman endlich der Verdacht gekommen und eine Überprüfung auf Karte und Navi ergab tatsächlich, das ich ins falsche Tal abgebogen bin. Was im Flachland einen kleinen Umweg bedeutet hätte hatte hier zur Folge, das ich den ganzen Weg wieder steil nach oben treten konnte, was mich 2,5 Stunden gekostet hat, nur damit ich um 10.30 Uhr exakt wieder am Ausgangspunkt meiner Tour war.

Ich habe dann im Hotel erst wieder meinen Akku mit Cappuccino und den des Fahrrades aufgeladen. Dann konnte ich am Mittag noch einmal von vorne beginnen.

So geflucht habe lange nicht mehr, zum Glück hat mich niemand gehört.

Shit happens

75 km                   2300 Höhenmeter 

 

ein alter Fiat - unterwegs auf einem kleinen Marktplatz geschossen und nachbearbeitet 

30. 8.

Nach der gestrigen Monstertour tut mir ein Ruhetag sehr gut.

Ich bin gestern Nachmittag nach einer Pause in Pontremoli, einer charmanten Kleinstadt in den Bergen (der Fiat) noch in einer wirklich anstrengenden Bergetappe zu meiner Unterkunft gelangt.
Dieses ehemalige Farmhaus steht mutterseelenallein in der Wildnis und wird von einem sehr freundlichen älteren Ehepaar bewohnt.

Diese B&B - Herbergen gefallen mir außerordentlich gut, man wohnt mit den Vermietern unter einem Dach, die Unterhaltungen sind wesentlich ausführlicher und privater  als in den großen Hotels; man bekommt zu dem Land und seinen Leuten einen viel intensiveren Bezug.

Ich weiß nicht, ob ich die Straße hierher mit meinem Motorrad bewältigt hätte, die Spitzkehren sind so scharf und die Straße ist so eng, das ich mit der großen BMW sicherlich ins Schwitzen gekommen wäre.

Wenn nachher die Sonne sich in voller Pracht zeigt, werde ich noch in den Pool springen, ich habe hier als einziger Gast alles auf dem riesigen Gelände für mich alleine. 
Es lebe die Nachsaison.

31. 8.

Ich habe gerade ein wunderschönes Hotel bezogen. Ich bin jetzt am Meer angekommen in der sogenannten "Cinque Terre". Die Bilder davon stelle ich demnächst ein. Jetzt muss ich ersteinmal von meiner Fahrt hierher berichten, ein typisch italienisches Abenteuer mit negativen und positiven Aspekten. Auf meiner Fahrt aus den Bergen heraus ans Meer musste ich kilometerlang in einem Flusstal fahren um diesen dann an einer bestimmten Stelle auf einer Brücke zu überqueren.

Als ich diese Stelle erreicht hatte musste ich feststellen, das es diese Brücke gar nicht mehr gab, die sowohl auf meiner Autokarte als auch im Navi verzeichnet war. Die Brücke war entweder gerade abgerissen worden oder von selbst zusammengefallen (kommt ja hier ab und an vor), jedenfalls lagen Teile davon unten im Fluss.

Das Dumme für mich war nur der Umstand, das das nicht schon weit vorher irgendwie kenntlich gemacht worden wäre - kein Schild, kein einziger Hinweis.

Jetzt hatte ich nur die Möglichkeit, entweder 35 km Umweg in Kauf zu nehmen oder die Autobahnbrücke in 2 km Entfernung zu nehmen, die auch über den Fluss führte. Natürlich habe ich mich für Letzteres entschieden und natürlich hatte ich gleich oben auf der Brücke einen Polizeiwagen im Nacken. Die Herren haben mich per Lautsprecher zum Anhalten bewegt und ich hatte schon eine Ansprache, ein saftiges Bußgeld und die Aufforderung zur sofortigen Umkehr (es war gerade der Anfang der vielleicht 3km langen Strecke bis zur nächsten Ausfahrt), doch als ich den Polizisten meine Lage auf Englisch erklärt habe, da haben sie mich freundlich zum Weiterfahren ermuntert und mir die ganze Strecke per Blaulichteskorte den Weg freigehalten.

An der Ausfahrt haben sie mir dann noch freundlich zugewinkt und mir eine gute Weiterfahrt gewünscht.

So bin ich dann zwar im Hafengebiet von La Spezia gelandet, aber auf der RICHTIGEN SEITE DES FLUSSES.

 

75 km                1650 Höhenmeter 

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© Sigurd Pohl